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Die Zukunft der Selbstvermessung

Veröffentlicht: 20. November 2013

Meine Erfahrungen von der 2013 Quantified Self Conference in San Francisco waren sehr vielfältig. Interessante Persönlichkeiten, ergreifende Präsentationen, neue Gadgets, Bulletproof Coffee, gutes Wetter und Eier als Snacks. Was kann man von einer zweitägigen Versammlung von Selbstvermessern mehr wollen?

Meine Erfahrungen von der 2013 Quantified Self Conference in San Francisco waren sehr vielfältig. Interessante Persönlichkeiten, ergreifende Präsentationen, neue Gadgets, Bulletproof Coffee, gutes Wetter und Eier als Snacks. Was kann man von einer zweitägigen Versammlung von Selbstvermessern mehr wollen?

Nach einem wunderbaren Erlebnis bei der Quantified Self Konferenz in Amsterdam zu Beginn diesen Jahres waren meine Erwartungen für die US-Version auf der großen Bühne in San Francisco recht hoch. Das Programm sah sehr vielversprechend aus und nach der Ankunft im schönen Golden Gate Club im Presidio von San Francisco konnte ich es kaum abwarten zu starten.

N = 1: Eine „Bewegung“ von sich selbst vermessenden Menschen

Während andere Konferenzen mit einem oft unangenehmen Kennenlernprozess beginnen, fühlt sich eine Quantified Self Veranstaltung mehr wie ein informelles Treffen von Gleichgesinnten an. Viele Gesichter waren mir bereits aus Amsterdam bekannt und so fühlte ich mich von Anfang an sehr willkommen. Es fühlte sich nur natürlich an, sich noch mit denjenigen anzufreunden, die man noch nicht kannte.

In der Eröffnungsrede teilte QS-Mitgründer Gary Wolf erneut seine Vision von Quantified Self als n = 1 Bewegung von sich selbst vermessenden Individuen (n = 1 als Beschreibung für Studien mit nur einer Testperson). Quantified Self dreht sich somit nicht um groß angelegte Forschungsprojekte mit wissenschaftlichen Standards wie Kontrollgruppen oder mehreren Testreihen. Es geht vielmehr darum, das anzunehmen was für dich persönlich funktioniert und zu ignorieren, was nicht funktioniert.

Nichts für passive Zuhörer, mischt euch unters Volk!

Wie bei vorherigen Konferenzen gab es auch diesmal zeitgleich mehrere Vorträge. Neben den Plenarsitzungen fanden Show & Tell Talks, Conversations (bei denen jedes Mal drei bis vier Experten zu einem Thema interviewed wurden), Breakout Sessions und Office Hours von teilnehmenden Unternehmen und Forschungsprojekten statt. Mit all diesem parallel entstehendem Gesprächsstoff erwachen QS Veranstaltungen vor allem im Austausch mit anderen Teilnehmern zum Leben. Wer nur dasitzt und passiv zuhört hat es schwer, auf seine Kosten zu kommen.

Meine Höhepunkte vom Donnerstag

„Wenn es für dich relevant ist, ist es relevant!“

Der erste Vortrag, der meine volle Aufmerksamkeit gewann wurde von Ian Eslick mit dem Titel „Doing Great Personal Experiments“ gehalten. Ian verglich klinische Forschung mit Selbstexperimenten und betonte die Bedeutung und den Wert von beiden Formen des Erkenntnisgewinns. Obwohl persönliche Experimente oft unwissenschaftlich durchgeführt und statistisch unerheblich sind, so können sie dennoch für den Einzelnen von persönlicher Bedeutung sein und dessen Leben signifikant verändern.

Linda Avey, Co-Gründerin von 23andMe und Curious, Inc.

Obwohl ich noch keinen der berüchtigten Speicheltests selbst durchgeführt habe, bin ich sehr vom Potential von Gentests fasziniert. 23andMe bietet ein bezahlbares genetisches Screening für Privatpersonen mit Aussagen über Erbanlagen, Gesundheitsrisiken und ethnische Herkunft. Linda hat das Unternehmen 2009 verlassen und daraufhin Curious, Inc. gegründet, ein Gesundheitsportal mit einem speziellen Such-Algorithmus, der es Nutzern erlaubt, schnell Antworten auf individuelle Gesundheitsfragen zu bekommen und diese mit sozialen Netzwerken zu teilen. Es war spannend mit dieser beeindruckenden und sehr zugänglichen Unternehmerin über die aktuellen Stand der Blut- und Genanalyse zu diskutieren.

Rejection Therapy: „Könnte ich nur ein M&M kaufen?“

Eine der lustigsten Vorträge kam von AskMeEvery’s Mark Moschel, der seine Angst davor, zurückgewiesen zu werden dadurch überwand … naja … 30 Tage lang jeden Tag zurückgewiesen zu werden! Während dieser Zeit konfrontierte Mark Menschen mit zumeist frechen Anfragen, zum Beispiel ob der Supermarktkassierer ihm Geld leihen oder ob er sich die Küche bei einem Fast Food Laden mal genauer ansehen könnte. Obwohl Mark einen starken Anstieg in seinem Selbstbewusstsein während der 30 Tage feststellte, fiel der neugewonnene Mut fast auf das Anfangsniveau kurz nach Ende des Experiments. Hier das Video zum Talk:

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Meine Höhepunkte vom Freitag

Verknallt in Zip

Sehr unterhaltsam war Kitty Irlands Aufarbeitung der Tagebücher ihrer Großmutter aus dem Jahr 1942. Verzehrte Mahlzeiten, besuchte Orte und vor allem die vielen begehrenswerten Jungs wurden akribisch von Oma Pat in einem kleinen Notizbüchlein vermerkt. Kitty suchte daraufhin nach Parallelen in ihrem eigenen Leben und erntete bei der ein oder anderen Entdeckung, z.B. ihrer wohl ererbten Obsession mit Lippenstiften, herzhafte Lacher des Publikums. Trotz dieses fesselnden Einblicks in ein vergangenes Leben wurde uns Zuhörern bedauerlicherweise ein Happy End erspart. Pat’s Schwarm, ein Kerl namens Zip, der anfangs auf zahlreichen Seiten mit liebevollen Einträgen bedacht wurde, verschwindet nach einiger Zeit urplötzlich aus den Einträgen.

Ein Schwarzmarkt für sensorfreie Bekleidung und Wohlbefinden als Währung?

Die meisten Breakout-Diskussionen, die ich besuchte waren entweder sehr voll oder zu unstrukturiert, um mich dauerhaft bei der Sache zu halten. Die Session „QS in 10 & 100 Jahren” allerdings, moderiert von QS Mitbegründer Kevin Kelly, bot einige sehr interessante Gedankenspiele über die zukünftige Entwicklung der Quantified Self Bewegung.

Mit der zunehmenden Vermessung unseres Alltags und den daraus resultierenden Erkenntnissen über unsere Bedürfnisse werden wir eine Umwelt schaffen, die mit uns durchgehend kommuniziert. Sensoren werden uns anzeigen, wann wir essen, laufen, schlafen, arbeiten und Kontakte knüpfen sollen um unser Wohlbefinden zu optimieren. Die Informationen können dann mit Mitmenschen je nach Relevanz geteilt werden. Der Hausarzt wird automatisch benachrichtigt, wenn Blutwerte eine Grippe andeuten, der Chef erfährt, wenn seine Angestellten mit der Arbeitsbelastung überfordert sind und der Personal Trainer sieht, wenn Kunden ihren Trainingsplan nicht einhalten um dem dann sofort mit motivierenden Gesten entgegenzuwirken.

Während einige Teilnehmer der Diskussion diese Entwicklung durchaus positiv beurteilten, sahen andere darin ernstzunehmende Gefahren. Die ständige Vermessung würde zu einem endlosen Wettkampf gegen die Zeit, gegen das Altern und gegen die Mitmenschen führen. Gesundheit und Privatssphäre könnten zu einer Währung verkommen. Je gesünder und gläserner jemand ist, desto weniger wird er finanziell von Staat und Dienstleistern belastet. Ein Teilnehmer meinte sogar, dass neben den Milliardärs-Ranglisten des Magazins Forbes eine Liste mit “Healthionnaires” entstehen wird, also den Menschen mit der besten Gesundheit und der höchsten Lebenserwartung. Eine weitere faszinierende Vision war eine völlig transparente, technologiegetriebene Welt mit Schwarzmärkten für sensorfreie Kleidung.

Der Pitch meines Projektes Biotrakr vor einer Koryphäe der QS Welt

Was für ein tolles Gefühl, positives Feedback für seine Arbeit von einer Koryphäe der QS-Welt zu erhalten. Dave Asprey, angeblich die erste Person, die jemals etwas im Internet verkauft hat, zugleich ein Cloud Computing-Experte, Biohacker und Gründer der Bulletproof Executive Marke, ist ein wahrer QS-Pionier. Als ich Dave meine Idee für Biotrakr vorstellte, einem webbasierten und intuitiven Health Coach, der personalisierte Gesundheitsempfehlungen auf Basis von Biomarker-Analyse anbietet, war er gleich sehr interessiert und teilte mit mir einige wertvolle Erkenntnisse aus seinen Erfahrungen als Berater für WellnessFX. Darüber hinaus beschrieb Dave das (Sonnen-)Vitamin D als den „wichtigsten Biohack“ und erzählte mir wie er seinen eigenen Speck in seinem Haus auf Vancouver Island selbst räuchert.

Die Gadgets – Ein Food Tracker, ein fühlendes T-Shirt und finnische QS Dominanz

Im Vergleich zu Amsterdam war es angenehm, einen separaten Raum für Gadgets, Apps und Tools zu haben. Im folgenden Abschnitt möchte ich einige der sehr coolen Sachen vorstellen.

AIRO – Das Armband der nächsten Generation

Erst vor einigen Wochen habe ich den Ersatz für mein kaputtes Jawbone UP erhalten (wie in vielen anderen Fällen war nach 3 Monaten Schluss mit Tracking). Nun messe ich wieder täglich Bewegung und Schlaf damit. Allerdings ist das nun fast schon wieder Schnee von gestern. AIRO arbeitet an einem Armband mit eingebautem Spektrometer, um zusätzlich zu Aktivität und Schlaf auch Stress und Kalorienzufuhr aufzuzeichnen. Und das automatisch! Mit geplantem Markteintritt Ende 2014 müssen wir uns allerdings noch ein wenig gedulden.

OMSignal – Die Zukunft von Kleidung

OMSignal sorgt in der intelligenten Bekleidungsszene gerade für Aufruhr. Kürzlich mit dem „DC to VC People’s Choice Award“ auf der Health 2.0-Konferenz in Santa Clara versehen, waren die Kanadier auch auf der QS 2013 eine der Hauptattraktionen. Das mit Sensoren versehene Shirt der Firma ermöglicht eine kontinuierliche Aufzeichnung von Herzfrequenz, Atmung und Bewegung. Der Nutzer kann die Daten dann in Echtzeit auf seinem Smartphone verfolgen.

Ambro – Der Mahlzeitersatz mit 20 Zutaten

Erstaunlich, wie Startups aus Finnland ständig mit großartigen Ideen im QS-Bereich aufwarten. Ambro bietet ein nährstoffreiches Ersatzgetränk als Mittel gegen gelegentliche Kochfaulheit. Was mir bei Ambro besonders gefällt: Die Gründer sind bescheiden und behaupten nicht, dass man sich allein von ihrem Produkt ernähren könnte (im Gegensatz zu ihrem prominenten Mitbewerber Soylent).

Beddit – ZEO 2.0

Das Team um Lasse Leppäkorpi hatte seinen Schlaftracker bereits in Amsterdam vorgestellt. Dieses Mal hatte ich die Chance zu einem längeren Gespräch mit Lasse. Dabei erfuhr ich von den ersten “Schlaf”-Versuchen des Beddit-Teams vor sechs Jahren, der Aufnahme des ZEO Teams nach Beendigung des prominenten Schlaftrackers aufgrund von Patent- und Finanzierungsproblemen und dem bevorstehenden Umzug nach Silicon Valley.

Es gab sehr viele weitere spannende Ideen, Apps und Produkte, die ich hier nicht aufgelistet habe. Wenn ihr mehr erfahren möchtet, besucht einige der anderen Blog-Artikel zur Konferenz und registriert euch für den Newsletter der QS Community.

Abschließende Worte : Dreht die Heizung auf und bis bald in Amsterdam!

Wurden meine hohen Erwartungen an die Konferenz im Mutterland der QS Szene letztlich erfüllt?  Erst war ich mir nicht sicher, da mir nach Amsterdam und unseren Meetups in Deutschland schon einiges bekannt war. Jedoch jetzt, nach einigem Reflektieren und mit dem Verfassen dieses Artikels bin ich nun fast erstaunt, wie viele wertvolle Erinnerungen ich tatsächlich mitgenommen habe. Zudem waren die veganen, glutenfreien und stets gut gefüllten Snackbars sowie die Riesenteller voller gekochter Eier ein richtiges Schmankerl! Also definitiv yes!

Einige Sachen kann man sicherlich noch besser machen, wie zum Beispiel die Heizung im doch gelegentlich kühlen San Francisco aufdrehen (bzw. die Klimaanlage runter), die Breakout-Sessions ein wenig mehr strukturieren und den Kaffee im Auge behalten (war zu oft leer, und warum gab es eigentlich keine Bulletproof Version, Mr. Asprey?!). Aber was wäre ein QS-Event ohne Optimierungsmöglichkeiten…

Noch einmal ein Dankeschön an die Organisatoren und bis bald in in Amsterdam!

Maximilian Gotzler

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